Philosophische Praxen - Handeln und die Liebe zur Weisheit ...


1. Zum Verhältnis von Theorie und Praxis, 2. Die Praxen der Praxis: a) Namensliste, b) Ortsliste

1. Zum Verhältnis von Theorie und Praxis
Philosophie und Praxis mag wie ein Gegensatz erscheinen, und der Begriff 'philosophische Praxis' mag nach einer contradictio in adjecto klingen. Aber schon Sokrates verstand Philosophie als gedankliche Hebammenkunst (Mäeutik), die genuin dialogisch ist und auf das Ziel eines richtigen oder guten Lebens ausgerichtet ist. Die Lehre vom richtigen Leben war in vielen Epochen und ist in manchen philosophischen Schulen ein wesentlicher Aspekt von Philosophie. Im Begriff des "richtigen" Lebens hat eine normative Komponente. Insofern haben Philosophische Praxen einen besonderen Bezug zur praktischen Philosophie. Unter praktischer Philosophie wird fachsprachlich die philosophische Teildisziplin verstanden, die auf das Handeln des Menschen in der Welt und damit auf das Sollen und nicht auf das bloße Sein gerichtet ist. In dieser Sichtweise umfaßt praktische Philosophie insbesondere die Ethik, aber auch die Staats- und Rechtsphilosophie. In den philosophischen Praxen hat meist die Fragestellung des richtigen, erfüllten und guten Leben besonderen Vorrang. Wo die Betonung auf dem individuellen richtigen Leben liegt, muß dies nicht unbedingt eine Befürwortung eines Rückzuges vom öffentlichen Leben bedeuten. In Philosophischen Praxen können selbstverständlich alle Fragen des Guten, Wahren und Schönen - und auch andere Fragen der Weltsicht behandelt werden.
'Praxis' wird hier und in der Philosophie oft auch entsprechend der alltäglichen Verwendung im Sinne von Anwendung auf konkrete lebensweltliche Problemstellungen verstanden. Jüngst wurden viele neue Gebiete der Anwendungen von Philosophie erschlossen (etwa Technikfolgenabschätzung, Ethikkommissionen, Trauerreden etc.).

Unter Philosophischen Praxen im engeren Sinne wird i.d.R. eine beruflich ausgeübte und institutionalisierte Tätigkeit, analog etwa zu einer therapeutischen "Praxis", verstanden. In philosophischen Praxen philosophiert man im Einzelgespräch oder in breiterem Kreise. Es werden oft Probleme und Fragen der eigenen Lebensführung philosophisch angegangen und diskutiert, aber auch andere Fragestellungen philosophisch reflektiert. In der jüngeren Geschichte hat insbesondere Dr. Achenbach viel zur Renaissance der institutionalisierten philosophischen Praxis beigetragen.
Die 'Praxis' als Ort des philosophischen Gespräches kann recht unterschiedlich ausssehen, das Gespräch kann sogar beim Flanieren, in einem Kloster oder im Café stattfinden. Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs einer Philosophischen Praxis bleibt schwierig, da unterschiedliche philosophische Auffassungen mit unterschiedlichen philosophischen Praxisverständnissen einhergehen. Viele Philosophische Praxen verweisen auf die Methode des Sokratischen Dialoges: reflektive Arbeit am Begriff und an Auffassungen, dialogisches gemeinsames Vorgehen und die Ausrichtung auf die Kunst eines gelungenen und guten Lebens. Für die Philosophischen Praxen ist es eine schwere Aufgabe die Theorie mit der Praxis zu versöhnen. In sprachlicher Anlehnung an Kant läßt sich sagen: 'Theorie ohne Praxis ist wirkungslos, Praxis ohne Theorie ist blind.' Gewiss - Philosophie kann auch Praxisprobleme erst schaffen. (Freud meinte sogar, daß die Beschäfigung mit philosophischen Fragen selbst ein Hinweis auf persönliche Probleme sei. Hierbei sollte angemerkt werden, daß Freud selbst gewisse philosophische Interessen hatte.) Philosophie bietet aber fraglos einen ungehobenen Schatz an Wissen und Sichtweisen. In den Praxen soll meist der Wissenskorpus der verschiedenen - sich zugegebenermaßen oft widersprechenden - philosophischen Richtungen als ein bereicherndes Denkangebot zugänglich gemacht werden. Aufbauend auf solches Wissen mag erneute Reflexion einen Beitrag zu aktuellen Fragestellungen und auch individuellen Sinnfragen leisten.
In Philosophischen Praxen werden meist philosophische Gespräche mit Menschen geführt, die Anregungen oder Hilfe suchen. Die Gespräche haben didaktischen, beratenden oder auch manchmal therapeutischen Charakter (vgl."Philotherapie"). Der Andere sollte aber - so etwa der Praktiker Scherer - nicht als therapeutischer 'Fall' behandelt werden. Für die Philosophische Praxis gelte das Prinzip Dialog statt Diagnose. Die Tätigkeit in Philosophischen Praxen bewegt sich dabei zwischen philosophischer Fachkenntnis und dem freien Äußern und Besprechen von Gedanken und Gefühlen. Der Fachphilosoph bzw. die Fachphilosophin steuert zwar Ihre Kenntnisse bei, Philosoph und Klient beraten sich jedoch meist gemeinsam. Ein anderes Tätigkeitsfeld von Praktiker/inne/n ist das Angebot von Seminaren oder von philosophischen Abenden in Cafés. Auch das Schreiben von Auftragstexten und Gutachten kommt vor, ebenso das Halten von Reden für bestimmte Anlässe. Zielgruppen sind vorrangig Einzelpersonen, aber auch bestimmte Personengruppen (Ärzte, Juristen, Theologen, Manager, Sozialarbeiter etc.), Einrichtungen oder Unternehmen.
Aber dieser Ort des gebildeten und freien Gesprächs muß auch finanziert sein. Praktikerin spielt in diesem Zusammenhang auf Diogenes von Sinope an: "Philosophen wollen und können auch nicht mehr in der Tonne leben." In philosophischen Praxen werden recht unterschiedliche Honorare erhoben. Es läßt sich noch immer schwer beurteilen, inwieweit philosophische Praxen wirklich angenommen werden. Es sei aber auch auf das Problem der Korrumpierbarkeit bezahlter philosophy on demand angesprochen.
Die Überbrückung von Theorie und Praxis in den Philosophischen Praxen mag ihre Probleme haben, scheint in vielerlei Hinsicht aber erfreulich und zukunftsweisend zu sein. In Zeiten der Verunsicherung gegenüber verbindlichen Werten scheint sich die Eule der Minerva zu einem Flug vom Elfenbeinturm in die Lebenspraxis aufzumachen...


2. Die Praxis der Praxen
Eine wichtige nationale und überregionale Vereinigungen für philosophische Praktiker/innen ist die Internationale Gesellschaft für Philosophische Praxis e. V. (IGPP). Es sei aber auch der Verein PhiloSOPHIA, der pathognostisch orientierte Verein für Psychoanalyse und Philosophie und die an der kritischen Theorie orientierte Sokratische Gesellschaft erwähnt. Besonders praktisch ist ansonsten das Verweisverzeichnis und das Praxenverzeichnis der Praxis ProPhil, Dortmund. (Das Praxenverzeichnis ist vollständiger, es verzeichnet auch Praxen in Österreich und der Schweiz, es ist nach Postleitzahlen geordnet und enthält auch Praktiker/innen ohne Internetadresse.)

Im folgenden wurde eine Auswahl Philosophischer Praxen bzw. philosophischer Beratungsangebote nach Name und nach Ort aufgelistet. Dabei könnn auch regional tätige Vereine mit einem entsprechenden Fortbildungsangebot aufgeführt werden.

a) Nach Namen geordnet:


b) Nach Orten geordnet:
Weitere Verweisvorschlägen zu Philosophischen Praxen sind willkommen...

Letzte Gesamtüberarbeitung: 2004, letzte Änderungen. 2013 © M.v.S.